Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrter Herr Hinck,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes,
verehrte Kolleginnen und Kollegen Kreisräte,
sehr geehrte Damen und Herren von der Presse und
verehrte Gäste,

die Haushaltsberatung 2016 wird von der Flüchtlingskrise überlagert. Darauf werde ich nachher zurückkommen. Dennoch müssen wir uns mit dem Fortgang aktueller Projekte befassen.

Sehr geehrter Herr Landrat, der Haushalt hat in diesem Jahr nicht nur Netz und doppelten Boden sondern zugleich noch eine Seilsicherung erhalten und zwar trotz der Kosten für die Flüchtlingshilfe. Auf Kante genäht ist das nicht, was uns da vorgelegt wurde. Da wurde mindestens doppelt genäht und noch eine breiter Sicherheitsrand eingeplant. Finanziert wird nach wie vor so manches Accessoire, sprich Überflüssiges. Wer viel Geld bzw. Liquidität hat, ist leider sehr gefährdet sich auch mal was Besonderes zu gönnen. Dieser Eindruck entsteht bei der Durchsicht des Planes schon. Doch nicht nur der Kreis auch die Gemeinden stehen vor großen Aufgaben bei der Integration von Flüchtlingen. Dazu brauchen Sie ihr Geld auch selbst, – ohne das örtliche Engagement lässt sich diese durchaus historische Aufgabe nämlich kaum lösen.

Herr Landrat, es ist löblich, dass Sie eine Absenkung der Kreisumlage auf 37,7 % vorschlagen, doch das ist zu wenig.
Im letzten Jahr haben wir den Vorschlag zur weiteren Senkung der Kreisumlage unter anderem damit begründet, dass wir, die Freien Wähler, 4 Mio. € Jahresüberschuss erwarten würden. Dies wurde von der Verwaltung damals deutlich in Frage gestellt. Das zwischenzeitlich bekannte Jahresergebnis 2014 beträgt, so wurde im Sommer im VFA berichtet, jetzt voraussichtlich rund 18 Mio. €. Lagen wir damals also falsch? Ja, ganz bestimmt aber in die falsche Richtung. Unsere Erwartung wurde um das 4 ½- fache übertroffen. Sehr beachtlich ist das schon!

Anlässlich der Verabschiedung des Nachtragshaushalts haben wir bereits darauf verwiesen, dass der Kreis mit zusätzlichen Einnahmen aus der vereinbarten Kostenübernahme des Landes für die Flüchtlingsunterbringung im Jahr 2015 rechnen könne. Dies ist zwischenzeitlich auch zugesagt. Die Vereinbarung zur Spitzabrechnung der tatsächlichen Kosten garantiert dies. Auch bei der Grunderwerbsteuer gehen wir von ca. 2 Mio. € Plus, gegenüber Plan, aus. Das Haushaltsjahr 2015 wird deshalb, davon sind wir überzeugt, wieder mit einem beachtlichen Überschuss abschließen. Dazu später mehr.

Einige aktuelle Kernaufgaben möchte ich ansprechen:

Flüchtlingsunterbringung und -betreuung im Landkreis
Dies ist derzeit wohl die wichtigste Kreisaufgabe. Anderes muss da zurückgestellt bzw. hinten angestellt werden. Dies gilt insbesondere für die Aufgaben der Hochbauunterhaltung. Dazu zählen z.B. die Sanierung Sitzungssaal und Kantine oder gar eine Landratsamtserweiterung. Das Hochbauamt kann nicht alles gleichzeitig erledigen. Deshalb plädieren wir da für eine deutliche, zeitliche Verschiebung.

Die Integrationsbeauftragte Frau Pfister und ihr Team, das Sozialdezernat unter der Leitung von Alfred Schmid, die Hochbauabteilung des Landratsamtes unter der Leitung von Rudi Sendersky, sie alle sind in diesen Tagen ganz besonders gefordert.

Allen diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich in dieser Arbeit so engagiert, lösungsorientiert und motiviert einbringen, sagen wir ein herzliches Dankeschön. Im Landkreis geht die Unterbringung der Flüchtlinge trotz des enormen Zuwachses geordnete Bahnen. Der Zustrom wird aber laufend größer. Wer die täglichen Nachrichten verfolgt, stellt sich sicher die Frage,„wie können wir das schaffen“ ?
 
Das Wort „wir schaffen es“ kommt  einem, wenn man vor Ort Lösungen und Unterkünfte sucht, nicht so leicht über die Lippen. Doch alles lamentieren, das Verbreiten von Ängsten oder gar die Kapitulation vor der Aufgabe, darf es nicht geben. Wir unterstützen daher die Kreisverwaltung in dem bisher sehr erfolgreichen Bemühen, die Flüchtlinge, die uns zugewiesen werden, in festen Unterkünften einzuquartieren, sie sozial zu betreuen, Ehrenamtliche zu gewinnen und diese bei ihrer Arbeit zu begleiten und zu unterstützen. Flüchtlinge mit Bleiberechtsperspektive müssen wir schnell ausbilden und  fördern. Ob allerdings in allen Fällen ein schneller Familiennachzug für uns leistbar ist – das muss schon gründlich bedacht werden. Da geht es schließlich in vielen Fällen um einen Faktor 4 – 5.

Wir fordern aber auch ganz klar, dass Personen, deren Asylantrag,  nicht anerkannt werden kann bzw. die  aus sicheren Herkunftsländern kommen,  schnell und zügig zurückgeführt werden müssen. Land und Bund sind da in der Pflicht, ihre Zusagen einzuhalten. Solange in Unterkünften noch viele Menschen aus dem Westbalkan sind, sind diese Plätze blockiert. Flüchtlingen, die nicht bleiben können ist übrigens nicht geholfen, wenn sie hier nicht arbeiten dürfen und sie sich falsche Hoffnungen machen.

Da ist es für uns auch völlig unverständlich, wenn das Land in seinem Leitfaden zur Flüchtlingsbetreuung ausführlich darüber informiert, wie man eine Ausweisung möglichst lange hinauszögern kann – da wird sogar auf Kirchenasyl verwiesen. Das ist eine Aufforderung zum Rechtsbruch in einer offiziellen Landesbroschüre. Angesichts der aktuellen Entwicklung ist das ganz und gar nicht akzeptabel.

Es muss uns bewusst sein:
„Die eigentlichen Aufgaben kommen erst noch auf uns zu“.

Nach der Erstunterbringung folgt die schwierige Aufgabe der Integration. – und eine geordnete Steuerung des Familiennachzuges. Zu allererst werden da Wohnungen gebraucht, die es bei uns derzeit nicht gibt.

Kinder müssen in Kindergärten und Schulen betreut werden, alle Flüchtlinge müssen so schnell wie möglich Deutsch lernen können. Wenn wir eine hohe, zukünftige Kostenlawine  vermeiden möchten, muss es uns gelingen, die Menschen mit Bleiberecht so schnell wie möglich in Arbeitsverhältnisse zu bringen. Eine große Aufgabe, denn fachlich qualifiziert sind, nach Angaben von Frau Nahles, nur ca. 1/6 der Flüchtlinge.

Vermittlung in Arbeit
Das schaffen der Kreis und die Kommunen nicht alleine. Dazu brauchen wir die Unterstützung der Wirtschaft, der Betriebe, vom Handwerker bis zum Weltunternehmen. Die Unternehmen müssen aushelfen und zwar mit Taten und nicht nur mit Worten. Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramme sind unverzichtbar.

Viele der Flüchtlinge brauchen Aus- und Fortbildung, ihnen müssen zudem schnell Grundkenntnisse unseres Kultur- und Arbeitslebens vermittelt werden. Dies geht nicht nebenbei, das braucht große gemeinsame gesellschaftliche Anstrengungen. Dazu sind zuvorderst möglichst viele Praktikas in Betrieben zu ermöglichen. Dazu viele Bürger und Helfer, die bereit sind, unsere Werte, unseren Arbeitsstil und unsere Sprache weiter zu geben. Das große ehrenamtliche Engagement, das viele Bürger einbringen, ist dabei unverzichtbar und äußerst wertvoll. Dennoch müssen wir vom bloßen betreuen und umsorgen zum „Fördern und Fordern“ kommen.

Wir haben zu diesem Thema Anträge eingereicht. Kreisweit müssen Konzepte entwickelt werden, mit dem Ziel, die Menschen so schnell wie möglich nicht nur unterzubringen sondern auch weiter zu bringen. Die Gemeinden brauchen auch  Klarheit darüber, was auf sie in der weiteren Unterbringung zukommen wird.

Für uns, die Freien Wähler ist allerdings auch wichtig, dass keine falsch verstandene Toleranz geübt wird, sondern klar zum Ausdruck kommt, dass bei aller notwendigen Zuwendung, zu der wir stehen –  wir auch erwarten dürfen, dass die Menschen, die bei uns leben wollen, auch lernen sich zu unseren Werten zu bekennen.

Deshalb:

–      Wer zu uns kommt muss akzeptieren, dass wir in einem freiheitlichen, demokratischen Staat leben und diese Staatsordnung, die auf dem Grundgesetz gründet,  fördern und unterstützen

–      Er muss unsere Rechtsordnung anerkennen
 
–      Er muss bereit sein, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen
 
–      Er muss anerkennen, Frauen und Männer sind gleichberechtigt
 
–      Er muss anerkennen, dass wir Religionsfreiheit haben und zwar aktiv und passiv.

Unser Grundgesetz ist auf christlichen und humanitären Werten begründet, zu denen wir stehen. Das heißt auch, alle Menschen können bei uns nebeneinander gleichberechtigt und frei ihrer Religionsausübung nachgehen. Es darf niemand bedroht werden, vor allem nicht in einem Wohnheim und es darf nicht akzeptiert werden, wenn Christen oder andere Minderheiten unter den Flüchtlingen, von anderen, die die Mehrheit bilden, bedroht oder bedrängt werden. Wer das alles nicht anerkennen möchte, kann nicht auf unsere Gastfreundschaft setzen.

Wichtig dabei ist allerdings auch, dass wir uns selbst unserer Werte neu vergewissern, zu diesen Werten stehen und sie bekennen, dann wird diese Herausforderung auch zur  Stärkung der Demokratie in unserem Lande beitragen. Dieser Herausforderung müssen wir uns alle stellen. Weil wir wissen:  Wer Menschenwürde fordert, muss sie auch leben. Es ist unsere Pflicht und eine Selbstverständlichkeit, dass wir den Menschen helfen, die zu uns gekommen sind.
 
Frau Pfister, die Integrationsbeauftragte des Kreises, kam bislang ja nicht zur eigentlichen Aufgabe, denn sie wurde von den aktuellen Aufgaben der Unterbringung überrollt. Sie alleine kann´s nicht richten. In der Sozialbetreuung, im ganzen Sozialdezernat wird derzeit hervorragende Arbeit geleistet. Das möchten wir gerne unterstützen.

Die Städte und Gemeinden unterstützen den Kreis auch dabei, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Dies können sie mit Arbeitsplätzen in den Bauhöfen usw. nicht alleine tun. Eine so große Menge von Menschen lässt sich bei den Gemeinden nicht unterbringen. Deshalb muss mit den Kreishandwerkskammer und der IHK an Konzepten mit dem Ziel gearbeitet werden, wie diese Menschen so schnell wie möglich das arbeiten in unserem System erfahren und lernen können. Nach unserer Überzeugung, muss die Bundesregierung auch über eine befristete Lockerung des Mindestlohnes, z.B. für längere praktische Anlernzeiten, nachdenken und dies unbedingt ermöglichen !

Für Praktikas, die meist länger als 3 Monate gehen sollten, muss es  einfach Möglichkeiten geben, vom Mindestlohn abzuweichen. Sonst werden solche Praktikas nicht angeboten.

Bei aller Großzügigkeit ist auch klar, rein faktisch gibt es eine Obergrenze für die Flüchtlingsunterbringung in unserem Land und Kreis. Anders ist das im Grundgesetz sicher  nicht gemeint, denn wir können nicht auf Dauer täglich bis zu 10.000 Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen und unterbringen. Das schaffen wir auch in unserem Land auf Dauer nicht. Die europäische Gemeinschaft hat bislang kläglich versagt, sie ist da besonders gefordert. Es kann einfach nicht sein, dass sich ein Land nach dem anderen  davon verabschiedet, wenigstens einige zigtausend Menschen zu übernehmen und alles Deutschland, Österreich und Schweden  aufbürdet.

Wir sind froh, dass das Land nach langem hin und her die Spitzabrechnung der tatsächlichen Kosten für die Flüchtlingsunterbringung zugestanden hat. Dies ist auch zwingend notwendig, denn für die Anschlussunterbringung ist der Kreis zuständig. Bis zu 8 Mio. € Jahreskosten für den Kreis sind da bald zu erwarten. Dazu kommt dann noch die Grundsicherung mit 1,3 Mio. €/Jahr.

Wir erwarten vom Land, dass ein Masterplan erarbeitet wird, der die Integration und Eingliederung dieser Menschen zum Inhalt hat. Es reicht nicht, wenn der Ministerpräsident bei der Mitgliederversammlung des Gemeindetags erklärt, „wir fahren auf Sicht“. Der Eindruck, diese Sicht ist auch noch stark vernebelt, entstand da bei vielen Teilnehmern.

Das Land muss die Kreise, die Städte und Gemeinden bei der Integrationsarbeit nachhaltig unterstützen. Dazu sind klare Konzepte erforderlich. Dazu zählt besonders der dringend erforderliche soziale Wohnungsbau. Es war schon bisher ein absoluter  Irrweg, wie manche glauben machen wollen, zu behaupten wir hätten bald einen Wohnungsüberschuss. Das Gegenteil ist der Fall. In Baden-Württemberg werden bei einem jährlichen Bedarf von 40.000 – 45.000 Wohnungen aktuell gerade mal 30.000 Wohnungen im Jahr errichtet. In den Ballungsräumen wurde bezahlbarer Wohnraum nicht nur zur Mangelware, dem Wohnungsmarkt droht auch im Kreis der Kollaps. Es wird Zeit, dass man dies endlich wahrnimmt und nicht weiter den Träumereien von drohenden Leerständen nachhängt.
Um den Kollaps zu vermeiden, ist eine massive Ausweitung des Wohnungsbaus und die Mobilisierung von Leerständen gleichermaßen nötig.

Die soziale Betreuung in der Erstunterbringung wird vom Kreis gut umgesetzt. Doch in der Anschlussunterbringung bleibt der Bedarf, die Menschen zu begleiten und zu unterstützen, bestehen. Die vielen engagierten ehrenamtlichen Helfer brauchen dazu hauptamtliche Ergänzung. Da gibt es bislang noch keine langfristigen  Aussagen des Landes, ob Stellen in den Gemeinden über eine Anschubfinanzierung hinaus, unterstützt und gefördert werden. Wenn Integration gelingen soll ist dies aber notwendig. Ehrenamtlich ist das auf Dauer nicht zu leisten.
Diese Aufgaben sind aktuell vorrangig, sie wirken sich auf die sonstige Tätigkeiten des Landkreises natürlich aus.

Die Hochbauabteilung wird  von den Aufgaben der Flüchtlingsunterbringung bis an die Belastungsgrenzen gefordert. Deshalb sind die bereits genannten Projekte, die Erweiterung des Landratsamtes, die Sanierung der Kantine im Landratsamt oder die Sanierung dieses Sitzungssaales sinnvollerweise zurück zu stellen. Sie müssen somit nicht im Jahr 2016 finanziert werden.

Die entsprechenden Haushaltsanträge dazu haben wir eingebracht.

Das Zukunftsthema
„Neubau Kreiskrankenhaus/Kliniken“ – bleibt:
Das medizinische Konzept für die Kreiskliniken wurde vom Kreistag verabschiedet.  Dieses  medizinische Konzept wird umgesetzt. Zu den notwendigen Investitionen in Leonberg, Herrenberg und auf dem Flugfeld sagen wir „es muss zügig vorangehen“. Ein ständiges „vielleicht doch nicht ganz so“ bringt uns nicht voran. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Calw.

Wir stehen zu den Krankenhausstandorten in Leonberg und Herrenberg. Die Sanierungspläne für diese Häuser sind zügig zu realisieren. Die im Sommer vorgestellten Kostenschätzungen mit weit über 60 Mio.  € in Leonberg und rund 26,5 Mio.  € in Herrenberg dürfen uns nicht von einer zügigen Umsetzung abhalten. Vom Zuwarten und zögern wird nichts billiger und  keines der dringenden baulichen Probleme erledigt sich damit.

Wir hätten uns sehr gewünscht, dass die Planung und Vorbereitung des Neubaus auf dem Flugfeld im Jahr  2015 schneller vorankommt, wie dies tatsächlich gelungen ist. Das Land hat die lang erwartete Planungsrate bewilligt. Wichtige Weichenstellungen für das weitere Vorgehen im nächsten Jahr sind nun zu treffen. Ein Konzept für die Planrealisierung liegt auf dem Tisch, ein Projektbetreuer ist eingestellt. Es wird Zeit, dass wir da vom Schneckentempo auf ein hohes Umsetzungstempo umschalten. – trotz der doch erschreckend hohen Kosten von über 450 Mio.  € können wir nicht in Schockstarre verfallen. Das Projekt muss vorankommen damit in den bestehenden Häusern nicht noch hohe Sanierungskosten anfallen.

Es bleibt dabei, dass das Land in der Krankenhausfinanzierung seinen Pflichten noch stärker nachkommen muss. Die landesweit bereitgestellten Mittel zur Finanzierung von Krankenhausinvestitionen wurden zwar deutlich erhöht, doch sie reichen für die Investitionen in den Krankenhäusern nach wie vor bei weitem nicht aus. Wir fordern deshalb, auch angesichts der bevorstehenden Landtagswahl, dass diese Zuschussmittel des Landes weiter erhöht werden müssen.

Wir haben uns für den Neubau auf dem Flugfeld entschieden. Das Grundstück ist leider immer noch nicht gekauft.

Öffentliche Wasserstandsmeldungen über den Stand der Kaufverhandlungen  helfen, so Herr Landrat, leider nicht weiter. Wir erwarten von Ihnen ganz persönlich, dass Sie dieses Thema als Chefsache bald auf den Punkt bringen. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern bzw. ein notarieller Vorvertrag muss doch möglich sein. Angesichts der Gesamtkosten von über 450 Mio. € sehen wir übrigens überhaupt keinen Spielraum für weitere Zugeständnisse beim Grundstücksverkauf.

Das Konzept zur weiteren Umsetzung steht nachher auf der Tagesordnung. Wir erwarten, dass das Raum- und Funktionsprogramm, das der Planung zugrunde gelegt wird, in den Gremien des Kreistages, spätestens in der 1. Sitzungsrunde 2016, beraten wird. Der Kreistag kann die „Katze schließlich nicht im Sack kaufen“.
 
Öffentlicher Personennahverkehr/ Straßen / Schönbuch-bahn / Hermann-Hesse-Bahn / Radverkehr / Tourismus
 
Straßenausbau
Herr Landrat, Sie haben in Ihrer Haushaltsrede angegeben, der Landkreis habe den weiteren Straßenausbau ad acta gelegt. Das war vermutlich nur eine Augenblicksbeschreibung. Es gibt noch jede Menge Kreisstraßen, die einer Generalsanierung bedürfen und für die im Einzelfall auch mal eine weitere Ortsumfahrung erforderlich wird. Ad acta legen können wir den Straßenausbau angesichts des aktuellen Verkehrsaufkommens sicher nicht. Auch der Kreis bleibt in der Pflicht. Dies gilt, obwohl die aktuellen Straßenbaumaßnahmen des Kreises weitgehend abgeschlossen sind. Dabei ist richtig, Sanierung kommt vor Ausbau oder Neubau doch wir müssen auch innerhalb des Kreises genauestens beobachten, welche Verkehrsbelastungen weitere Maßnahmen erfordern können.
 
Schönbuchbahn/Hesse-Bahn
Eine gewaltige Herausforderung für den Landkreis wird die Elektrifizierung der Schönbuchbahn und die Einführung des 15- Minuten-Taktes auf dieser Strecke. Viel Geld wurde schon in die Planung gesteckt inklusive der Planfeststellungsunterlagen für die Fahrzeughalle in Böblingen. – dafür liegt der Planfeststellungsbeschluss bereits vor. Beruhigt bauen können wir aber erst, wenn wir wissen, welche Fahrzeuge auf der Schönbuchbahn eines Tages fahren werden und ob es überhaupt gelingt, geeignete Fahrzeuge zu finden. Die Gesamtinvestition mit über 130 Mio. € ist nur zu rechtfertigen, wenn das Angebot der neuen Strecke auch genützt werden kann.

Es ist ein Armutszeugnis für die deutsche Industrie, dass es hier nicht viele Anbieter gibt, die bereit sind, schnelle und leichte Fahrzeuge kurzfristig zu entwickeln und zu bauen. Der Schienenverkehr hat schließlich Zukunft.

Die vom Land zugesagte Festbetragsförderung für die Schönbuchbahn wurde auf der Basis der vorläufigen Kostenermittlung, noch mit 75 % berechnet. Das ist löblich aber nicht ausreichend. Die mit betroffenen Städte Böblingen und Holzgerlingen tun sich mit ihren Kostenbeteiligungen an der Schönbuchbahn sehr schwer. Die geplante Beseitigung der Bahnübergänge in Böblingen und Holzgerlingen belastet die kommunalen Haushalte erheblich. Es zeigt sich, es ist einfach falsch, dass im Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) die Zuschussbeträge auch bei Schienenbaumaßnahmen von 75 % auf 50 % abgesenkt wurden. Diese falsche Entscheidung wird dazu führen, dass Großprojekte bald nicht mehr finanziert werden können. Ob man dann bei einem Radweg mal 50.000 € oder 100.0000 € vom Land bekommt ist eher nebensächlich. Wir fordern deshalb vom Land  die 75 % Förderung für Schienen- und Straßenbaumaßnahmen wieder in das LGVFG aufzunehmen. Andernfalls können Großprojekte nicht mehr realisiert werden.

Dies trifft übrigens auch auf den Landkreis beim Straßenbau, siehe die Zubringerstraßen zur A 81, z.B. die Baumaßnahmen bei der Ostumfahrung Böblingen, zu.
 
Ausbau A 81
Der Ausbau der A 81 ist dringend nötig. Endlich gibt es den ominösen „Gesehen“– Vermerk. Es bleibt für uns dabei, der Kreis zahlt 7 Mio. € am Deckel und nicht mehr. Bevor Sie in irgendwelchen Verhandlungen weitere Zugeständnisse machen, Herr Landrat, ist auf jeden Fall der Kreistag zu beteiligen und zu befragen.
 
Hesse-Bahn
Wir unterstützen eine möglichst baldige standardisierte Bewertung für die Verlängerung der S-Bahn nach Calw. Nach wie vor, das wurde im Sommer bei der entsprechenden Beschlussfassung ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, kann es aus unserer Sicht nicht sein, dass die Hesse-Bahn, neben der S-Bahn her, bis nach Renningen durch zuckelt. – Doch Land und der Kreis Calw ziehen das wohl einfach durch – Dabei wäre es sinnvoll, der Landkreis Calw würde seine Planungen verlangsamen. Der absolute Fertigstellungsdruck 2018 steht nach dem Kompromiss zur Fortführung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetztes so nicht mehr im Raum. Man kann wohl später niemand erklären, wenn jetzt Investitionen für eine Bahn gemacht werden, die dann eventuell durch eine S-Bahn ersetzt werden. Die jetzigen Investitionen  wären dann verloren. Dies gilt auch für die Fahrzeuge die angedacht sind. Für uns ist klar an den Kosten einer Dieselbahn bis Renningen kann und wird sich der Kreis Böblingen nicht beteiligen.

Das Land hat dieser Tage eine Regiobuslinie von Calw nach Weil der Stadt angekündigt. Das ist der richtige Weg für eine Übergangslösung, bis die S-Bahnuntersuchung auf dem Tisch liegt.
 
Ausschreibung von Buslinien
Vor der Ausschreibung der Linienbündel z.B. im Gäu, ist zu prüfen ob mit einer optimierten Ausschreibung Effizienzrenditen zu erzielen sind. Wir erwarten, dass Sie dies, Herr Landrat, veranlassen. Wir dürfen da keinen Leerlauf produzieren sondern müssen schon bei der Ausschreibung auf optimierte Vorgaben achten.

Radverkehr
Alle Bemühungen im Kreis und im Land, einen erheblichen Verkehrsanteil in Richtung Radverkehr zu verlagern sind löblich, allerdings wohl nicht mit dem gewünschten hohen Erfolg verbunden. Ob dadurch tatsächlich eine spürbare Entlastung auf den Straßen entsteht ist fraglich. Den Ausbau von Radwegen unterstützen wir dennoch. Es muss aber nicht sein, dass Radverkehrsmaßnahmen ohne kommunalen Anteil realisiert werden.

Tourismus
Es ist ein Lieblingsthema von Ihnen, Herr Landrat, den Landkreis in Richtung Tourismus weiter zu entwickeln. Wir haben im Kreis tatsächlich viel zu bieten. Wir sind aber vor allem ein Industrie-, Wissenschafts- und Gewerbestandort. Der Anstieg der Übernachtungen kommt nach unserer Überzeugung weniger aus touristischen Aktivitäten, vielmehr aus dem Bereich Geschäftsreisen. Wenn wir diesen Menschen auch in der Freizeit etwas bieten – ok. Es muss aber nicht sein, dass wir ständig über Öffentlichkeitsarbeit und für Dinge, die wir ein Stück weit auch aufblasen, viel Geld ausgeben. Der in Herrenberg geplante Aussichtsturm ist grundsätzlich ein gutes Ziel. Es ist aus unserer Sicht jedoch wichtig kommunale Haushaltsmittel erst dann bereit zu stellen, wenn ein Großteil der Sponsorengelder gesichert ist.
 
Schulen
Im Schulsystem hat das Land vieles auf den Kopf gestellt. Man wird wohl erst in einigen Jahren klar sehen, welche Erfolge die Gemeinschaftsschulen letztendlich haben werden. Es ist sehr zu wünschen, dass der landesweite Einsatz dafür, nicht zu Lasten der Kinder geht. Wichtig bleibt, dass auch Realschulen und Gymnasien sich weiter entwickeln können. Der Landkreis hat in den letzten Jahren seine beruflichen Gymnasien immer weiter ausgebaut. Dies war gut, doch es muss jetzt begrenzt werden. Weitere Konkurrenz für die allgemeinbildenden Gymnasien durch 6-jährige berufliche Schulzüge an den beruflichen Gymnasien ist weder hilfreich noch ist sie kostenmäßig zu verantworten.
 
Soziales und Wirtschaft
Die aktuelle Wirtschaftslage ist gut. Ich spreche deshalb die Punkte Soziales und Wirtschaft  bewusst gemeinsam an. Die wirtschaftliche Situation im Landkreis Böblingen wirkt sich da unmittelbar aus. Wir sind erfolgreich und profitieren von der Globalisierung, die uns allerdings auch die Flüchtlinge ins Land bringt. Unsere Firmen sorgen nahezu für Vollbeschäftigung. Sie sind innovativ und in der Forschung bestens unterwegs. Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir die Wirtschaft weiter unterstützen.
Dies alles wirkt sich auf die soziale Situation im Kreis aus. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften ist weiter gesunken, die Kosten der Jugendhilfe ebenso. Auf die Jugendhilfe kommen durch die Aufwendungen für die Betreuung unbegleiteter Flüchtlinge in naher Zukunft jedoch neue Aufgaben zu. Von Anfang an ist da zu dokumentieren, welche Kosten damit verbunden sind, damit sie dem Land auch in Rechnung gestellt werden können.

Ein wichtiges Thema im Bereich des Sozialhauses halten wird die Pflicht zur Inklusion behinderter Menschen. Dies ist nicht nur eine Aufgabe für die Schulen sondern auch eine gesellschaftliche Aufgabe im Alltag. Wir unterstützen mit einem Antrag die Schaffung einer Stelle für eine Dozentin für Gebärdensprache.

Breitbandversorgung im Kreis
Herr Landrat, Sie haben in Ihrer Haushaltsrede ausgeführt, dass es eine zentrale Kreisaufgabe sei, dass überörtliche Breitbandnetz auszubauen. So trifft das nicht zu. Vorrangig wäre dies eine Aufgabe der privaten Versorger. Bei allen Planungen im Kreis ist nicht nur auf das Zuschussprogramm des Landes zu schauen, sondern genau zu erheben, was schon vorhanden ist. Der Kreis Böblingen ist vergleichsweise gut versorgt. Wir dürfen uns keine Aufgabe aufladen, die uns ohne Not Kosten verursachen könnte. Selbstverständlich brauchen wir Glasfaserkabel in allen Gewerbegebieten und in allen Gemeinden. Eine kreisweite Erfassung und Ergänzungsplanung ist sinnvoll. Bevor wir dann selbst tätig werden, müssen wir aber klären, ob es private Partner gibt, die dies übernehmen würden.
 
Stellenplan
Es war für die Vorberatung und Detailberatungen des Haushalts in der Fraktion  schwierig, Details zu erkennen, weil der detaillierte Stellenplan nicht von Anfang an  vorlag. Wir bitten zukünftig, darauf zu achten, dass ein kompletter Stellenplan zur Verfügung steht. – Die weiteren Stellen für die Flüchtlingsbetreuung – auch die nachgemeldeten, tragen wir mit.

Haushaltsgliederung/Erläuterungen
Es ist festzustellen, dass die Haushaltserläuterungen insgesamt deutlich verbessert wurden. Andererseits ist der Haushalt 2016 wieder anders gegliedert als in den Vorjahren. Da ist es für den Kreistag äußerst schwierig, einen Überblick und einen Vergleich zu den Vorjahren herzustellen, wenn ständig neue Zuordnungen erfolgen. Es bleibt dabei, das neue Haushaltsrecht führt nicht zu mehr, sondern zu weniger Transparenz.

Nun zum Kernthema
 
Kreisumlage !:
Letztes Jahr habe ich mit dem Antrag zur Kreisumlage begonnen. Dieses Jahr steht dieser Antrag am Schluss.
Wir beantragen die Kreisumlage auf 37,0 % Punkte also 0,7 Punkte niedriger, als Sie Herr Landrat vorgeschlagen haben, festzusetzen.
Dies ist gut möglich. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Begründung vom letzten Jahr erinnern. Damals haben wir uns sehr viel Mühe gemacht und detailliert aufgelistet, wie man die Kreisumlage senken könnte. Leider sind Sie uns, Herr Landrat und auch der Kreistag damals nicht gefolgt. Inhaltlich wurde unser Antrag aus dem letzten Jahr jedoch mehr als überholt. Die Grunderwerbsteuer, sollte nach unseren Vorstellungen auf           22 Mio. € erhöht werden. Zwischenzeitlich erwarten wir in diesem Jahr wohl rund 24 – 25 Mio. €.  Das voraussichtliche Ergebnis 2014, mit einem Überschuss von ca. 18 Mio. € liegt weit über unseren letztjährigen Annahmen. Unsere positiven Erwartungen aus dem letzten Jahr wurden also weit übertroffen. Auch das Haushaltsjahr 2015 entwickelt sich positiv. Wir erwarten wiederum einen erheblichen Überschuss in Höhe von mehreren Millionen €. – laut Kreisverwaltung werden rund 4,5 Mio. € erwartet.
Eine Reduzierung der Kreisumlage auf 37,0 % Punkte bringt Mindereinnahmen von ca. 3,6 Mio.  €  gegenüber dem Plan mit sich.
Dies kann wie folgt gegenfinanziert werden:

1. Erwarteter Jahresüberschuss 2015, geschätzt ca. 4,5 Mio. €. – Damit eigentlich schon finanziert.

2. Reduzierung Budget Tourismus 100.000 €

3. Wegfall der Investitionen im Landratsamt (Sitzungssaal/ Kantine Erweiterungsplanung)  2 Mio.  €. Dies ergibt eine Gesamtsumme von sogar 6,6 Mio. €

Somit wäre eigentlich sogar die Reduzierung der Kreisumlage auf 36,7 % Punkte möglich.  Zur weiteren Haushaltsentlastung kann auch eine Zuführung aus dem geplanten Verkauf des Altenpflegeheims in Leonberg in den Haushalt erfolgen. Wir beantragen deshalb ergänzend: Der verbleibende Überschuss wird der Neubaurücklage für die Kliniken zugeführt. Eine vorgezogene Schuldentilgung, auch im Eigenbetrieb, ist nicht sinnvoll. Die Risiken für die Kosten der Flüchtlingsunterbringung sind durch die Zusage des Landes zur Spitzabrechnung weitgehend gedeckt. – da gibt es also keinen Grund zur weiteren Absicherung. Auch die marginalen Kosten unserer weiteren Haushaltsanträge sind gut auszugleichen, denn bei der Grunderwerbsteuer erwarten wir eigentlich ebenfalls Mehreinnahmen in Höhe von rund 1 Mio.  € gegenüber Plan.
 
Digitaler Sitzungsdienst
Zum Schluss noch eine Anmerkung. Ab dem nächsten Jahr soll der digitale Sitzungsdienst eingeführt werden. Ob wir dann mit noch mehr Informationen zugedeckt werden? Von Werner von Braun stammt folgendes Zitat:
„Bei der Eroberung des Weltraumes sind 2 Probleme zu lösen: die Schwerkraft und der Papierkrieg. Mit der Schwerkraft wären wir fertig geworden“.
Mit dem digitalen Sitzungsdienst wird vordergründig der Papierkrieg gelöst, ich fürchte aber, er wird nun digitalisiert. Deshalb Herr Landrat: Bitte achten Sie darauf, dass der Kreistag umfassend, aber dennoch kompakt zu den einzelnen Themen Informationen erhält.
 
Dank:
Ihnen Herr Hinck und Ihrem Team,  Ihnen Herr Landrat und all Ihren Mitarbeitern danken wir für die gute und konstruktive Zusammenarbeit. Wir wünschen uns für die weiteren Beratungen und für das neue Haushaltsjahr, dass der Kreistag immer die notwendige Entschlusskraft haben möge, wichtige Dinge, insbesondere den Klinikneubau schnell voran zu bringen. Mögen uns allen, zudem die geeigneten Lösungen für die Flüchtlingsintegration einfallen. Herzlichen Dank auch an die Kreistagkollegen in allen Fraktionen für die gute Zusammenarbeit.

Wilfried Dölker
Fraktionsvorsitzender