Verbundweite Medizinkonzeption für den Klinikverbund / Stellungnahme Fraktionsvorsitzender Dölker im Kreistag am 05.05.2014

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

die verbundweite Medizinkonzeption, die von der Geschäftsführung zusammen mit der Verwaltung erarbeitet wurde fordert von uns Mut zu einer einer schwierigen Entscheidung, die aber nötig ist. In der Vorlage 83/2014 wurde das umfangreiche Thema gut erläutert – dafür herzlichen Dank.

Das Grundübel, einer unzureichenden Krankenhausfinanzierung, besteht nach wie vor. Wir können mit unseren Entscheidungen immer nur reagieren und nicht agieren.

Die Krankenhausfinanzierung, die von Bund und Land verantwortet wird, ist einfach unzureichend. Die überwiegende Zahl aller öffentlichen Kliniken (rd. 80 %) im Land fährt derzeit große Defizite ein. Das ist Beweis genug. Wir haben diesen Zustand schon oft beklagt, Resolutionen verabschiedet und politisches Handeln eingefordert. Leider hat aber auch die neue Bundesregierung bislang keinerlei Signale von sich gegeben, die darauf hindeuten, dass in der Krankenhausfinanzierung eine grundsätzliche Wende geplant würde. Auch das Land kommt seiner Verpflichtung zur Krankenhausfinanzierung mittels Investitionszuschüssen für die notwendigen Investitionen gesetzeskonform  beizutragen, bei weitem nicht ausreichend nach.

Um diesem Dilemma zu entkommen hat der Klinikverbund auf Vorschlag der Geschäftsführung jahrelang an allen Standorten auf Wachstumsstrategien gesetzt. Die dazu jeweils prognostizierten Entwicklungen sind, das muss man leider feststellen, meist nicht oder nur bedingt eingetreten.

Zudem führen wachsende Umsätze auch zu höheren Kosten, die teilweise höher sind als die Mehrerträge. Die Krankenhäuser sind Personalkostenlastig. Der Großteil unserer Kosten entsteht für das Personal. Steigen die jährlichen Personalkosten um durchschnittlich ca. 3,5 % – 4 %, Pflegedienst und ärztlicher Dienst zusammen, und die Vergütungssätze über die DRG`s  lediglich um 1% – 1,5 % dann ist klar, dass die Schere schnell immer weiter auseinander läuft und diese Lücke, nicht mehr durch Kostenoptimierungen alleine aufgefangen werden kann.

Das ist die Ausgangslange mit dem Ergebnis eines aktuellen Defizits in Höhe von sage und schreibe rd. 23 Mio. € Verlust im Jahr. Das Angebot an jedem Standort ein Krankenhaus mit möglichst vielen optimalen Versorgungsangeboten  zu betreiben trägt verstärkt dazu bei, dass die bereits genannten dramatischen Defizite entstehen.

Der Klinikverbund Südwest, hat im Kreis Böblingen aktuell 4 Krankenhausstandorte in Böblingen/Sindelfingen, Leonberg und Herrenberg. Die heute zu beschließende Medizinkonzeption für die Versorgungsregion des Klinikverbundes Südwest im Landkreis Böblingen soll, so der heutige Beschlussvorschlag, eine leistungsstarke und wirtschaftlich solide Versorgung der Bevölkerung, im Sinne einer ganzheitlichen, verbundweit abgestimmten Versorgungsstruktur für die Landkreise Böblingen und Calw finanzierbar ermöglichen. – Dieses Ziel müsste eigentlich Konsensfähig sein – für uns alle.

Die genannten Standorte sorgen für eine ortsnahe, attraktive Grund- und Basisnotfallversorgung im jeweiligen Versorgungsgebiet. In der Ziffer 1 d wird ausdrücklich festgestellt.

Voraussetzung für die nachhaltige Sicherstellung des Leistungsangebots ist die Erhaltung der Standorte.

Damit bekräftigt der Kreistag zum wiederholten Male, dass er zu allen Standorten steht. Das ist Grundlage und Ziel zugleich. Der Klinikverbund braucht ein Verbundweites medizinisches Konzept. Nur so können wir die Kosten reduzieren. Das fordert übrigens auch der Konzernbetriebsrat. Wichtiger Bestandteil des Beschlusses ist auch die geplante Zusammenführung der getrennten Betriebsstätten Sindelfingen und Böblingen zu einem einheitlichen Betriebskrankenhaus.

Von allen Fachleuten und Sachverständigen wird bestätigt, wenn wir langfristig leistungs- und kostenoptimiert arbeiten möchten, müssen die getrennten Betriebsstätten Sindelfingen und Böblingen an einem Standort zusammengeführt werden.

Allerdings gibt es zum richtigen Standort in unserer Fraktion, grundsätzliche Anfragen. Diese sind berechtigt und wir müssen das eindeutig klären. Die Frage weshalb kann man nicht an einem der beiden Standorte die Zusammenführung realisieren, ist im Gutachten geprüft. Es wurde untersucht ob der Ausbau und Umbau am Standort Sindelfingen oder Böblingen wirtschaftlicher wäre. Die Option, in Böblingen ein Krankenhaus im Wald neu daneben zu bauen, sollten wir uns offen halten. Die Prüfung dieser Überlegungen ergab zwar, dass der Standort Flugfeld klare Vorteile hat. Dennoch ist es immer wichtig Alternativen zu prüfen und wo nötig auch mal in der Hinterhand zu behalten.

Die Frage, was würde der Kreistag tun, wenn es keinen der beiden Standorte geben würde und man völlig neu bauen müsste. Fast logischer Weise, würde man dann wohl auf den Standort Flugfeld stoßen. Dieser Standort ist  verkehrlich optimal erschlossen, er liegt zwischen den beiden größten Städten des Landkreises, er ist über die A 81 aus der Raumschaft Gäu und Herrenberg hervorragend erreichbar und die neue B 464 verbindet den Süd- und den Nordkreis optimal mit dem Flugfeld. Auch aus dem letzten Winkel des Landkreises kann man, Staus mal beiseitegelassen, in max. 15 Minuten in einem Krankenhaus auf dem Flugfeld ankommen. – Leonberger brauchen nach Stuttgart Mitte sicher länger.

Eine überzeugende medizinische Arbeit wird, davon sind wir überzeugt, Patienten aus dem ganzen Kreis anziehen und binden können. Das immer wieder vorgetragene Argument, aus dem Einzugsbereich Leonberg würde man dann lieber nach Stuttgart gehen, blendet aus, dass man dort hin auch aus Leonberg länger zu fahren hat als zu einem Standort Flugfeld. Der Wunsch nach besonderen Schwerpunktangeboten in Leonberg scheitert auch an der Vorgabe der Kassen und des Landes. Es müssen Mindestfallzahlen erreicht werden, damit die Leistung von den Kassen überhaupt bezahlt wird. Mehrere Schwerpunktangebote im Verbund zu einzelnen Indikationen sind schon aus diesem Grund nicht möglich. Die Konzentration in Böblingen-Sindelfingen – mitten im Kreis ist daher logisch richtig.

Mir persönlich, das sei an dieser Stelle angemerkt, fällt es nicht leicht zu akzeptieren, dass ein neuer Standort auf dem Flugfeld notwendig wird. Ich gehöre noch zu der Kreistagsgeneration, die einst die Kinderklinik in Böblingen mit beschlossen hat. Ich muss allerdings erkennen, dass bei einer objektiven und sachlichen Langfristbewertung zu bewerten ist, was bringt ein zentrales Haus den Bürgern des Kreises, was bringt uns allen den größten Vorteil. Die Gutachter sagen, die betriebswirtschaftliche kostengünstigste Lösung ist der Neubau auf dem Flugfeld. Nach der Barwertmethode ist das sehr eindeutig. Berücksichtigt man, die Rahmenbedingungen, dann ist der Neubau neben einem bestehenden Krankenhauskomplex im laufenden Betrieb nicht realisierbar.

Wir tragen als Fraktion im Ergebnis die Überlegungen, ein zentrales Haus auf dem  Flugfeld zu bauen mehrheitlich mit, Voraussetzung ist eine geklärte Finanzierung. Dem Kreistag muss daher, möglichst bald, spätestens bis zum Baubeschluss ein nachvollziehbares, belastbares Finanzierungskonzept vorgelegt werden, das belegt, wir können diese große Investition auch tatsächlich tragen. Die Verwaltung hat gegenüber der Vorberatung weitere Zahlen vorgelegt. Eine vertiefte Prüfung ist allerdings wegen der vielen unklaren Punkte nicht möglich. Dazu sollte gegebenenfalls auch eine gesonderte Arbeitsgruppe des Kreistages eingesetzt werden, die sich mit den Annahmen befasst und Alternativen gründlich prüft. Eine solche Arbeitsgruppe könnte nach der Wahl eingesetzt werden.

Aktuell gilt:

Selbst wenn man von einem Kredit- / Finanzierungsbedarf des Kreises in Höhe von rd. 250 Mio. ausgeht und diesen mit 2,0 % verzinst und 3,0 % tilgt ergibt sich eine Jahresbelastung von 12,5 Mio. €, die wohl mindestens zur Hälfte aus dem laufenden Betrieb der Klinik erwirtschaftet werden könnte.  Es handelt sich bei dieser Annahme – siehe Seite 18 der Vorlage allerdings um eine eher Pessimistische Bewertung. Eine Jahresfinanzierungslast in der von mir genannten Höhe ist aber realistischer wie andere Zahlen, die in diesem Zusammenhang genannt werden. Da müssen wir die Belastbarkeit des Kreises sicher ganz genau ausloten. Für uns heißt das – auch wenn wir heute der Ziffer 2 und 5b zustimmen – vor dem Baubeschluss ist ein stimmiges Finanzkonzept vorzulegen.

 Vorgaben des Landes

Das Land stellt den Landeskrankenhausplan auf. Wir sind bei unseren Investitions- und Planungsentscheidungen von den Vorgaben des Landes abhängig. So ist es uns z.B. nicht möglich in Leonberg ein Krankenhaus mit Schwerpunktversorgung auszuweisen, wenn das Land sagt, dies muss nach Böblingen/Sindelfingen. Die räumliche Zuordnung innerhalb des Kreises ins Zentrum nach Böblingen/Sindelfingen, man mag dies an anderer Stelle bedauern, ist logisch und richtig. Die Förderung der dringend nötigen Investitionen in Leonberg und Herrenberg durch das Land gefährden wir auch, wenn wir den Eindruck vermitteln, keine klaren Ziele umzusetzen.

Das Teamplangutachten ist Grundlage der Konzeption aber kein unabänderliches Gesetz. So ist für uns klar, es gibt weiterhin Chefärzte      an allen Standorten.

Zum medizinischen Konzept wird aus dem Raums Leonberg vorgetragen, man brauche Abteilungen, die eine besondere Strahlwirkung entfachen damit man Patientinnen und Patienten binden könne, “Leuchttürme“ genannt. Dabei wird auch auf die Geburtsklinik in Herrenberg verwiesen und festgestellt, dies sei ein solcher „Leuchtturm“. Ja, es stimmt. Die Geburtsklinik in Herrenberg hat eine sehr positive Außenwirkung. Doch sie ist ein Teil der Grund- und Basisversorgung. Das heißt, man kann eine positive Außenwirkung durch gute Angebote, in der Grund- und Basisversorgung, eine fürsorgliche Pflege, viel Zuwendung zu den Patienten gerade auch in Häusern mit Grund- und Basisversorgung entwickeln und aufbauen – und damit eine hohe Patientenbindung erreichen. Das wollen wir gerade auch in Leonberg.

Statt so mancher Untergangsrhetorik brauchen wir deshalb eine selbstbewusste Außendarstellung aller Standorte. Dazu gehört ein klares Bekenntnis dazu, dass man die Chancen, die der Klinikverbund jedem Standort durch die Medizinkonzeption einräumt, nutzen wird. Im Fußball gilt z.B., was nutzt es, wenn man viele Chancen herausspielt und doch nicht ins Tor trifft. Gewinnen tun die, die ihre Chancen nutzen und sich  nicht selbst schlecht reden. Das muss uns an allen Standorten gelingen.

Ein guter Anfang wäre z.B., wenn die Besetzung der Unfallchirurgie in Leonberg, die Zusammenarbeit der Frauenklinik Leonberg mit Böblingen und anderes mehr als positiver Vertrauensbeweis in den Standort begriffen würde und positiv an die Patienten weiter vermittelt würde. Jammern hilft nicht – anpacken ist notwendig.

Wir begrüßen die Betrieblich-bauliche Entwicklungsplanung für alle Standorte:

Ganz wichtig ist für uns, dass die betrieblich-bauliche Entwicklungsplanung an allen Standorten zeitnah vorangebracht wird. Es gibt in Leonberg und in Herrenberg einen hohen Nachholbedarf an Unterhaltungs- und Modernisierungsinvestitionen. Mit der Festlegung der Medizinkonzeption kann endlich gezielt darauf hingearbeitet werden, dass die einzelnen Standorte so weiterentwickelt und modernisiert werden, dass sie bedarfsgerecht und nutzerfreundlich aufgestellt werden. Das Sozialministerium muss sich hier auch dazu bekennen und die Ausbau- und Sanierungsprogramme in Leonberg und Herrenberg als förderfähig anerkennen.

Weiterentwicklung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen im Klinikverbund

Es ist absolut notwendig, dass wir so schnell wie möglich eine einheitliche Gesellschaftsstruktur im Klinikverbund schaffen. Darauf ist weiter hinzuarbeiten, wir fordern dies seit langem. – Nach der Zusammenführung mit Sindelfingen ist dies dringend nötig.

Finanzielle Auswirkungen der medizinischen Konzeption

Es ist festzustellen, dass die Übersetzung des Teamplangutachtens in die Medizinkonzeption nun statt 17,9 Millionen Ergebnisverbesserung eine Ergebnisverbesserung zwischen 9,4 und 12,9 Millionen Euro bringen soll. – Dies bedeutet, so habe ich es im Ausschuss schon formuliert, dass der Kreis durchschnittlich ca. 7-8 Millionen Euro aus der Kreisumlage tragen muss, um die Ergebnisse auszugleichen.  Das ist ein sehr beachtlicher Beitrag zur Standortsicherung. Damit gehen wir an die Grenzen unserer Belastbarkeit. Wer das Konzept trotzdem kritisiert,  sollte diesen Einsatz des Kreises wenigstens anerkennen.

Es fällt vielen von uns schwer, eine Aussage zum Neubau Flugfeldklinikum zu treffen, obwohl noch keine klare Finanzierungsübersicht vorliegt. Wir erwarten deshalb, dass, wie bereits ausgeführt diese Frage, noch detailliert im Kreistag diskutiert wird – insoweit steht unsere Zustimmung unter Vorbehalt.

Robert-Bosch Klinik/Leonberg

Ganz bewusst spreche ich dieses Thema erst am Ende meiner Stellungnahme an. Es ist aus unserer Sicht nicht durchdacht, wenn man die öffentliche Trägerschaft in eine private Trägerschaft überführen möchte. Auch die Bosch-Stiftung wäre ein privater Träger. Die Annahme gemeinnützige Träger seien nicht gewinnorientiert entspricht nicht den Fakten. Wir sind dennoch für Gespräche aufgeschlossen, weisen allerdings darauf hin, dass im Falle einer Vergabe an  Private, auch  Vergaberechtskriterien der EU zu beachten wären. Wenn wir dieses Fass aufmachen, dann laufen wir schnell Gefahr – Geister zu rufen, die wir nicht wollten. – Für uns ist die öffentliche Trägerschaft die Garantie dafür, dass wir überhaupt noch einen Einfluss aufs Angebot haben.

Deshalb:

Nutzen wir die Chancen, packen wir es an allen Standorten an und verkaufen das was wir tun, positiv und so gut wie möglich nach außen.

Wir brauchen dazu das Vertrauen der Patientinnen und Patienten die zu ihren Krankenhäusern stehen, die wissen, hier werde ich im Klinikverbund verlässlich und gut versorgt.

Wir stimmen dem Beschlussvorschlag mehrheitlich zu.

Es gibt auch Bedenken, diese werden noch vorgetragen. Doch unser Anliegen ist es, wir brauchen eine Tragfähige Grundlage für die weiteren Schritte und wir können nicht weitere abwarten und die Geschäftsführung im unklaren lassen, Wer heute ablehnt vertagt auch das dringend notwendige bauliche Sanierungsprogramm für die Standorte Leonberg und Herrenberg und entzieht dem Aufbau qualitätsvoller Leistungsangebote die Grundlage.

Wilfried Dölker
Fraktionsvorsitzender
05.05.2014