Ausscheiden der Stadt Sindelfingen aus dem Klinikverbund Südwest/Übertragung der Sindelfinger Klinik auf den Landkreis

Rede des Fraktionsvorsitzenden im Kreistag am 12.12.2013:

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr.Vöhringer, sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats Sindelfingen, liebe Kolleginnen und Kollegen des Kreistags,

eine gemeinsame Sitzung von Gemeinderat und Kreistag ist außergewöhnlich. Es geht heute auch um eine Kreis- und städtepolitisch wichtige Entscheidung. Der Kreis soll die alleinige Trägerschaft der Krankenhäuser übernehmen. Schön wäre es, wenn die Kliniken im Kreis  ein so stabiles Finanzpolster hätten, dass niemand darüber nachdenken müsste, wie es denn in Zukunft weitergehen soll. Dieses Kostenproblem, das auch eine verstärkte medizinische Zusammenarbeit im Klinikverbund erfordert, ist Ursache für manche Sorgen im Kreis. Ich stelle aber auch fest, dass wir seit Jahren einen Zusammenschluss aller Krankenhäuser im Kreis zu einer GmbH fordern, also wird mit diesem Zusammenschluss dafür auch der Weg geebnet.

Die Stadt Sindelfingen hat jahrzehntelang  zur Finanzierung der Krankenhauslandschaft im Kreis Böblingen mit dem städtischen Krankenhaus einen anerkennenswerten Beitrag geleistet. Nicht immer waren sich Kreis und Stadt  kollegiale Partner, sie wurden vor dem Zusammenschluss im Klinikverbund Südwest auch zu harten Wettbewerbern.

Es war eine gute Entscheidung, die Häuser im Klinikverbund Südwest zusammen zu führen und die kostenintensive Konkurrenzsituation zwischen Böblingen und Sindelfingen durch die gemeinsame Klinik GmbH zu beenden. Nach einer kurzen Phase der Konsolidierung holt uns nun die fortschreitende Unterfinanzierung der Krankenhäuser erneut ein.

Die Kliniken sind, trotz aller Bemühungen der Geschäftsführung und des Aufsichtsrates, nicht kostendeckend zu führen. Ein jährlicher Verlust, von aktuell über 12,5 Millionen Euro 2013 in Sindelfingen/Böblingen und knapp 7 Millionen Euro in Leonberg und Herrenberg, also zusammen rund 20 Millionen Euro im Jahr kann uns nicht ruhig schlafen lassen. Das Eigenkapital, der Kliniken GmbH ist aufgezehrt. Der Kreis gleicht die Verluste, die auf den Kreis entfallen, für das Jahr 2013 und für 2014 aus. Sindelfingen wird seinen Anteil für 2013 in Höhe von 6,25 Millionen Euro ebenfalls, nach Ziffer 2 der Vereinbarung, am 31.03.2014 ausgleichen.

Klar ist da aber auch, wir werden nicht daran vorbei kommen, in allen Häusern Angebote zu bündeln, damit die Verluste begrenzt werden können. Mehr als 2 Punkte Kreisumlage, können wir für die  Krankenhäuser nicht aufbringen – dies entspricht schon einer jährlichen Subvention von rund 10 Millionen Euro und die sollte dringend abgeschmolzen werden.

Am Verlustausgleich über die Kreisumlage beteiligen sich alle Städte und Gemeinden des Landkreises gleicher Maßen. Der Landkreis ist für diese Aufgabe auch verantwortlich. Es ist für mich und große Teile unserer Fraktion nachvollziehbar, dass die Stadt Sindelfingen nicht auf der einen Seite die Defizite der Kliniken über die Kreisumlage mit finanzieren möchte und auf der anderen Seite den Anteil für das Sindelfinger Haus nochmals extra zahlt. Es fällt der Stadt nicht leicht, so unser Eindruck, ein liebgewonnenes Kind zur Adoption freizugeben. Das haben wir in den Verhandlungen gespürt und Verständnis dafür, dass langjährige kommunalpolitische Bindungen an das eigene Krankenhaus nicht so leicht aufzugeben sind.

Andererseits braucht das gemeinsame, zentrale  Krankenhaus mit Standorten in Böblingen und Sindelfingen eine klare Zukunftsperspektive. Diese ist nur möglich, wenn eine positive Fortführungsprognose durch die Verlustübernahme gesichert wird.

Angesichts der aktuellen Verlustsituation hätte  eine Kündigung eines Gesellschafters weitreichende Folgen. Wir sind in der Pflicht, den Patienten und den vielen Mitarbeitern gegenüber, schnell zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Leider hat das gedauert, die Ausgangssituation war aber auch nicht einfach. Die Fraktionsvorsitzenden des Sindelfinger Gemeinderats und des Kreistages saßen stundenlang zusammen, haben die Eckpunkte diskutiert und nach meiner Überzeugung gegenseitig eine Vertrauensgrundlage geschaffen und ein Papier erarbeitet, das sich sehen lassen kann. Ja, es tut dem Kreis weh, dass er nicht mehr als 14,9 Millionen Euro von Sindelfingen bekommt, es tut aber auch der Stadt Sindelfingen weh, dass sie dafür, dass sie ihr eignes Krankenhaus aufgibt auch noch Geld an den Kreis bezahlen muss.

Das Ergebnis ist es ein Kompromiss, der beide belastet. Anders geht eine Lösung aber nicht. Wir wünschen uns, dass die Geschäftsführung es nun schafft, ohne ständig an verschiedenen Fronten arbeiten zu müssen, die Kliniken so fortzuführen, dass sie sich leistungsstark weiter entwickeln können und die Verluste reduziert werden. Dies wird auch in Böblingen und Sindelfingen nicht ohne schmerzhafte Eingriffe gehen.

Es ist verständlich, dass man in Sindelfingen, der größten Stadt im Kreis, eine ortsnahe Krankenhausversorgung will und braucht. Dieses Recht und diesen Wunsch haben auch die Klinikstandorte in Leonberg und Herrenberg. Die Freien Wähler haben sich immer zu allen Standorten bekannt. Daran ändert sich nichts. – Was man in Leonberg fordert, muss aber auch hier in Böblingen und Sindelfingen gelten.

Im Raum Leonberg wird die aktuelle Entwicklung kritisch gesehen. Doch die Trägerschaft für die Häuser in Böblingen und Sindelfingen durch den Kreis, ist Grundvoraussetzung für eine gemeinsame, strategische Aufstellung aller Häuser im Kreis Böblingen. Nur so können die kleineren Häuser in Leonberg und Herrenberg gesichert werden.

Das Gutachten zum medizinischen Konzept,  das kürzlich vorgestellt wurde,  muss diskutiert, geprüft und wo nötig angepasst werden. Deshalb werden wir zu diesem Gutachten auch einen Fragenkatalog vorlegen, der vom Gutachter und der Geschäftsführung zu beantworten ist. Dies hat jedoch mit der Entscheidung Böblingen und Sindelfingen zunächst nichts zu tun.

Wir brauchen jetzt einfach Klarheit, damit nicht alle Häuser in einen Strudel der weiteren wirtschaftlichen Unsicherheit hineingerissen werden, dessen Ende völlig ungewiss ist. Deshalb appelliere ich für die Mehrheit unserer Fraktion dafür, dem heutigen Kompromisspapier zuzustimmen.  Wir haben von Sindelfingen Vertrauen gefordert, wer dies fordert, muss es auch gewähren.

Die Mitwirkung im Aufsichtsrat ermöglicht es der Stadt Sindelfingen, nahe am Geschehen zu bleiben und direkte Kenntnisse von der wirtschaftlichen Entwicklung der Kliniken zeitnah zu bekommen. Die Notwendigkeit zur Änderung bisheriger Angebote ist nicht angeschlossen. Deshalb steht in der Vereinbarung die Klausel: „Sollte sich die bei Vertragsschluss zugrunde liegende Geschäftsgrundlage wesentlich ändern, so dass dem Landkreis ein Festhalten am seitherigen Leistungsspektrum unzumutbar ist, wird die Stadt Sindelfingen, sich hieraus ergebenden Vertragsänderungen zustimmen. Sollte keine Einigung erzielt werden, ist ein Schiedsgericht einzuschalten.“

Änderungsbedarf kommt nicht nur aus der aktuellen Kostensituation, sondern er kann auch von außen  z.B. durch neue Vorgaben der Bundesregierung und  der Kassen z.B. zu  Mindestfallzahlen  kommen.  Wir brauchen dazu eine ausgewogene Verteilung der Angebote und Klinikleistungen im Kreis, die allerdings auch berücksichtigt, dass sich der Landkreis keineswegs jährlich weiter ansteigende Verluste, aktuell bereits 20 Millionen Euro im Jahr, leisten kann. Das geht nicht und die Folgen würden uns bald um die Ohren fliegen.

Ich weiß, Kompromisse haben meist das Problem, dass sie die eigenen Positionen nicht vollständig abdecken können. Deshalb fällt es vielen schwer, zu zustimmen. Ich werbe dafür, dies dennoch zu tun. Die Demokratie lebt schließlich davon, dass die Kraft des Ausgleichs erhalten bleibt. Mit klarer Mehrheit stimmen wir dem Kompromisspapier zu.

Ich hoffe auf eine konstruktive und zukunftsorientierte Zusammenarbeit und wünsche allen Beteiligten, dass wir sachlich und ohne Emotionen an einer zukunftsgerichteten Klinikversorgung im Kreis gemeinsam weiter arbeiten. Das brauchen wir, auch in Zeiten des Wahlkampfes.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Wilfried Dölker, 12.12.2013