Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Wilfried Dölker im Kreistag

Sehr geehrter Herr Landrat,

werte Kolleginnen und Kollegen des Kreistages,

sehr geehrter Herr Dittmar,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

mit den Haushaltsberatungen 2005 haben wir auch die Premiere für den neu gewählten Kreistag, um gestaltend in die Kreispolitik einzugreifen.

Schön wär’s, wenn’s dazu Spielräume gäbe.

Das allermeiste ist vorgegeben. Man ist versucht, mit Berthold Brecht zu sagen: „Als sie das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten sie ihre Anstrengungen“.

Es ist wahrhaftig so, dass wir angesichts der Situation im Kreishaushalt jede Menge Anstrengungen brauchen. Es ist auch nicht leicht, einen soliden Haushalt und vielfältige Leistungen für die Kreisbürgerinnen und Kreisbürger miteinander zu verbinden.

Ausgangssituation / Bund / Land

Die Neigung von Bund und Land, die Lasten auf die untere Ebene abzuwälzen und sich selbst mit Lorbeeren zu schmücken, hat auch im letzten Jahr neue Höhepunkte erreicht.

Hartz IV ist im Prinzip ein richtiger Weg, allerdings wieder damit verbunden, dass Lasten auf die kommunale Ebene abgeladen werden.

Dazu zählen die Finanzierung der Grundsicherung, die zu erwartende Belastung des Kreises aus den Unterbringungskosten genauso wie die Belastungen über den kommunalen Finanzausgleich. Der Griff des Landes Baden-Württemberg in die kommunale Finanzmasse – es geht um über 500 Mio. Euro im Jahr 2005 – ist nicht akzeptierbar.

Das für sich alleine wäre wahrlich schon zu viel. Es kommt aber hinzu, dass auch die Region Stuttgart nach wie vor keinerlei Tendenzen erkennen lässt, zukünftig sparsam mit dem Geld, das sie von den Kreisen und Gemeinden holt, umzugehen.

Dieses ständige Verlagern von Lasten auf die kommunale Ebene und die ständige Finanzierung von Investitionen über Schulden – das führt zu einer gigantischen Belastung unserer Kinder und Enkel.

Statt auf staatlicher Ebene Aufgaben abzubauen, werden ständig neue erfunden.

Es fehlt überall am Mut, Bürokratie abzubauen und der kommunalen Ebene werden die letzten Entscheidungsspielräume genommen.

Die sozialen Leistungen müssen der demografischen Entwicklung angepasst werden. So ist z. B. in der Behinderten- und Blindenhilfe die Forderung der Kommunen bisher ins Leere gelaufen, dass das Vermögen der Hilfe-Empfänger stärker angerechnet werden muss. Diese Forderung bleibt bestehen.

Entwicklung der Kreisumlage

Eigentlich müssten wir da im Kreis dazu beitragen, dass wieder kommunale Spielräume entstehen.

Die Entwicklung der Kreisumlage ist einen kurzen Blick zurück wert.

Im Jahr 2001 hatten wir aus heutiger Sicht noch traumhafte 32,5 %, über 33 % im Jahr 2003, 39,4 % im Jahr 2004 und mit den jetzt gewünschten 41,7 % im Jahr 2005 geht es stets nach oben.

Noch im Jahr 2003 wurde im Haushaltsentwurf für das Jahr 2004 eine Kreisumlage von 36,65% und für 2005 eine Kreisumlage von 35,85 % prognostiziert.

Oh wie schön, wenn sie doch recht gehabt hätten, Herr Dittmar.

Ich möchte es vorweg sagen, mit einer Kreisumlage von 41,7 % können die Städte und Gemeinden ihre Haushalte unmöglich ausgleichen. Auch bei einer niedrigeren Kreisumlage wird es vielen Städten und Gemeinden schwer fallen, im nächsten Jahr gesetzeskonforme Haushalte zu präsentieren.

Der aktuelle Haushaltserlass, der den Kreis schwer trifft – es fehlen ja weitere 1,7 Mio. Euro – betrifft die Gemeinden nicht minder schwer.

Verlauf des Haushaltsjahres 2004

Die Nachrichten aus dem Landratsamt, dass im Jahr 2004 mit einem erheblichen Fehlbetrag von rd. 5 Mio. Euro gerechnet werden muss, weil die Grunderwerbssteuer hinter den Ansätzen zurückbleibt und die Sozialhilfekosten deutlich über den Haushaltsansätzen liegen werden, ist bei uns angekommen. Es wird noch schwerer, aus dem bereits ausgepressten Kreishaushalt noch weitere Reserven herauszuholen.

Entwicklung der Verschuldung

Die Verschuldung des Kreises hat zwischenzeitlich einen Stand erreicht, der es nicht leicht macht, neue Investitionen zu beschließen. Weil wir darum wissen, dass viele Städte und Gemeinden kaum noch Reserven haben, haben wir uns schon in den letzten Jahren darauf festgelegt, dass der Kreis seine Investitionen, soweit er keine Zuschüsse erhält, über Kredite finanzieren muss.

Allerdings, wenn man die Entwicklung der Verschuldung des Kreises betrachtet, kommt man zum Ergebnis:

Es ist heute noch so, wie es in der Bibel Jesus Sirach schon gesehen hat, als er sagte:

„Wer mit fremdem Geld sein Haus baut, ist wie jemand, der Steine für seinen Grabhügel sammelt“.

Angesichts unserer Schuldenberge bei Bund, Land und Kreis sind dann große, steinige Grabhügel garantiert.

Es ist eine gute Einrichtung, dass der laufende Betrieb im Haushalt nicht auch noch durch Schulden finanziert werden darf. Leider halten sich Bund und Land zwischenzeitlich nur noch mit gewissen Tricks an diese Vorgaben.

Die Verschuldung des Kreises erreicht im Kreishaushalt im Jahr 2005 die fast schon magische Grenze von 100 Mio. Euro. Zusätzlich sind die Schulden der Krankenhäuser mit 19 Mio. Euro und der geriatrischen Klinik mit 8 Mio. Euro zu gewichten.

Insgesamt sind es somit bereits 127 Mio. Euro. Und da ist laut der mittelfristigen Finanzplanung noch lange nicht Schluss. –

Obwohl im Haushalt praktisch keine neuen Investitionen enthalten sind.

Es geht nur um die Fortführung der von uns allen für wichtig gehaltenen Infrastrukturmaßnahmen im Öffentlichen Personennahverkehr, im Straßenbau, im Schulhausbau und bei den Pflegeheimen.

I. Verwaltungsreform

Wenn’s schon kein Geld gibt – dann wenigstens eine Verwaltungsreform.

Was bringt die Verwaltungsreform? –

neben 340 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Landratsamt, jede Menge organisatorischen Aufwand und einen völlig neu strukturierten Kreishaushalt.

Wir brauchen dazu eine klar strukturierte, nachvollziehbare Eröffnungsbilanz. Diese ist so darzustellen, dass sie nachzuvollziehbar bleibt.

Landrat Maier hat in seiner Haushaltsrede ausgeführt: „Kein Euro Kreisumlage für die Verwaltungsreform“.

Dies darf nicht nur für das Jahr 2005 gelten, sondern dies muss auch in den künftigen Jahren so umgesetzt werden.

Wir erwarten, dass auch eine klare und nachvollziehbare Darstellung der inneren Verrechnungen erfolgt und eine kostenechte Bewertung der Verwaltungsreform aufgelistet wird.

Die Verwaltungsreform darf nicht über die Kreisumlage finanziert werden.

II. Sozialhaushalt / Jugendhilfe

Der Sozialhaushalt und die Jugendhilfe sind die entscheidenden Kostenfaktoren des Kreishaushaltes. Bedingt durch die Hartz-Gesetze ist vieles mit den Vorjahren nicht mehr vergleichbar. Auf einige Punkte möchte ich kurz eingehen.

1. Grundsicherung

In einer Zeit, in der schon erkennbar war, dass durch den demografischen Wandel die sozialen Lasten, die vom Staat, insbesondere von den Kommunen, zu tragen sind, kaum mehr bewältigt werden können, hat die Bundesregierung dieses Gesetz beschlossen.

Abgesehen davon, dass mal wieder deutlich vom Grundsatz – „wer bestellt, der bezahlt“ – abgewichen wurde, hat man erneut Lasten von den Bürgern auf den Staat verschoben.

Dieses eigenständige Gesetz außerhalb der Sozialhilferegelung sollte der sogenannten verschämten Armut entgegenwirken. Danach müssen Kinder ihre Eltern nur noch unterstützen, wenn ihr jährliches Einkommen den doch ganz beträchtlichen Betrag von 100.000 Euro überschreitet.

Der Staat übernimmt also die Verpflichtung auch dann, wenn die Kinder die Unterstützung übernehmen könnten. Ich denke, in der Vergangenheit haben viele Kinder, die ein Einkommen deutlich unter 100.000 Euro hatten, ihre Eltern selbstverständlich unterstützt. Weshalb sollen sie dies zukünftig nicht mehr tun?

Die Erfahrungen im Kreis Böblingen – die Verwaltung hat es auf unsere Anfrage berichtet – zeigen, dass bei rund 2.900 Grundsicherungsanträgen immerhin 1.200 bewilligt werden mussten und die Bewilligungsquote bei rund 40 % liegt. Dabei hat allerdings der Löwenanteil der Grundsicherungsempfänger schon zuvor Sozialhilfe erhalten.

Dabei sind die Gesetze so ungeschickt gemacht, dass man zukünftig zweimal Bedürftigkeitsprüfungen durchführen muss.

Die Nettomehrbelastung des Landkreises beträgt zwischenzeitlich, nach Abzug der Entlastungen bei der Sozialhilfe, 2,6 Mio. Euro im Jahr 2005. Rechnet man die Personengruppe der 18- bis 64-Jährigen dazu, die seither vom Landeswohlfahrtsverband betreut wurden, erhöht sich dieser Betrag um 2,1 Mio. Euro auf 4,7 Mio. Euro.

Es ist zu hoffen, dass die kommunale Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg hat. Ob dann allerdings mit einer Entlastung der Kommunengerechnet werden kann oder ob dann auf anderem Wege wiederum der Griff in kommunale Kassen erfolgt, bleibt offen.

Es darf nicht so weitergehen, dass auf Bundes- und Landesebene ständig Aufgaben erfunden werden und deren Erledigung und Finanzierung dann auf die Gemeinden und die Kreise übertragen wird.

2. Flüchtlingsunterbringung

Auch hier wird der Kreis für die Spätaussiedler und die Unterbringung von Flüchtlingen mit 0,7 bzw. 0,5 Mio. Euro zusätzlich belastet. Hier handelt es sich eindeutig um Landesaufgaben, die auf die kommunale Ebene verschoben werden.

3. Auflösung Landeswohlfahrtsverband

Bei der Eingliederungshilfe muss die Anrechnung von Vermögen dringend geändert werden.

Die Auflösung des Landeswohlfahrtsverbandes hätte dem Kreis Böblingen eine beachtliche Nettoentlastung bringen können. Daraus sind gerade mal 0,8 Mio. Euro geworden, weil sofort wieder ein zusätzlicher Soziallastenausgleich zwischen den Landkreisen, steuerkraftorientiert, vereinbart wurde.

Anders als die oberschwäbischen Landkreise mussten wir jedoch längst unsere Aktien verkaufen und unser Vermögen einsetzen. Dort ist teilweise noch ein Vermögen in Höhe von mehreren hundert Mio. Euro vorhanden.

Es ist aus unserer Sicht nicht einzusehen, weshalb wir im ganzen Land mitfinanzieren müssen, wenn es doch sehr unterschiedliche Ausgangssituationen gibt.

4. Unterbringungskosten

Diese Kosten müssten nach Hartz IV- würde man den politischen Lippenbekenntnissen auf Bund- und Landesebene glauben – erstattet werden. Deshalb ist es richtig, dass dieser Ansatz in Höhe von 2,65 Mio. Euro als Einnahme veranschlagt wird.

Dies wurde uns zugesagt; es wäre daher unvertretbar und nicht verantwortlich, wenn das Land bei seiner derzeitigen Meinung bliebe und diese Entschädigungsleistung nicht an den Kreis weitergeben würde.

5. Entwicklung der Sozialhilfe und der Hilfe zur Pflege

Es ist erschreckend, wie wenig Einflussmöglichkeiten wir auf die Entwicklung der Sozialhilfe und auf die Hilfe zur Pflege haben. Trotz all unserer Bemühungen wird es immer schwieriger, die Kosten der Sozialhilfe einzudämmen.

Ändern kann sich das nur, wenn es gelingt, den Wirtschaftsstandort wieder zu stärken, Arbeitsplätze zu sichern und neu zu schaffen. Dazu muss auch jetzt die Infrastruktur entsprechend ausgebaut werden

6. Jugendhilfe

Bei einem Abmangel von zwischenzeitlich 22,212 Mio. Euro pro Jahr ist die Jugendhilfe im Kreishaushalt einer der schwergewichtigsten Brocken geworden.

Es bleibt unsere Aufgabe, Familien zu befähigen, ihre Kinder zu erziehen. Ebenso gehört es zu unseren Aufgaben, Mut zum Kind zu vermitteln. Ehepartner und Eltern sind in ihrer Verantwortlichkeit zu bestärken. Es kann auch kein Tabu bleiben, dass Scheidungswaisen sehr oft nicht nur hohe Kosten im Sozialsystem und in der Jugendhilfe mit sich bringen, sondern sehr oft auch lange Phasen einer erschwerten Persönlichkeitsentwicklung haben.

Wir begrüßen es, dass Sie, Herr Landrat, in Ihrer Haushaltsrede diese Problematik sehr deutlich angesprochen haben.

7. Unterhaltszuschuss vom Land auf den Kreis

Diese gesetzliche Änderung belastet den Kreis mit rund 390.000 Euro im Jahr 2005.

Die relativ noble Gesetzesbegründung, die Übertragung der Verantwortlichkeit für die Einforderung von Unterhaltsleistungen führe dazu, dass die Kreise mehr Engagement aufbringen, war von vorneherein nicht ganz ehrlich. Es war dem Land sicher bekannt, dass die Kreise auf jeden Fall mit einem Defizit rechnen müssen.

Die meisten Ausgaben im Sozialhaushalt sind gesetzliche Pflichtaufgaben. Dem Kreistag bleiben nur wenige Gestaltungsspielräume. In der Vergangenheit haben wir diese Spielräume oft kreativ besetzt, indem wir Projekte entwickelt haben, die es z. B. benachteiligten Jugendlichen oder Personengruppen ermöglichten, wieder Fuß zu fassen.

Nach gründlicher Beratung in der Fraktion sind wir zu der Erkenntnis gekommen, dass wir die eine oder andere Freiwilligkeitsleistung, die wir dem Grunde nach durchaus begrüßen und für richtig empfinden, nicht dauerhaft beibehalten können.

Dies sind insbesondere zwei Projekte, zu denen wir jeweils auch einen Antrag zum Haushalt einreichen werden.

8. Hasa-Projekt

Dieses einst von der Stadt Sindelfingen initiierte Projekt ist inhaltlich sinnvoll. Durch eine verstärkte Förderung von Jugendlichen in den Hauptschulen und den Förderschulen, den Einsatz von Schulsozialarbeitern in sozialen Brennpunktschulen, den Aufbau der Gemeindejugendreferate und viele andere Maßnahmen hat sich die Ausgangssituation gegenüber der Gründungsphase des Hasa-Projektes deutlich verändert.

Angesichts der aktuellen Haushaltslage ist daher zu überprüfen, ob sich der Kreis dieses Projekt noch leisten kann. Alle andern Partner haben sich zwischenzeitlich zurückgezogen. Der Kreis wird zum Alleinfinanzierer. Insbesondere fällt der Zuschuss der Agentur für Arbeit in Höhe von zuletzt 60.000 Euro weg.

Wir beantragen deshalb, dass die Verwaltung bis zur ersten Sitzungsrunde im Jahr 2005 klärt, unter welchen Voraussetzungen und bis zu welchem Zeitpunkt der Kreis aus diesem Projekt aussteigen könnte.

9. Jugendberufshelfer /

Förderung von benachteiligten Jugendlichen

Haushaltsabschnitt 4695

Hier handelt es sich wieder um ein typisches Förderprojekt des Bundes. Im Jump-Projekt wurden die Jugendberufshelfer an den Schulen eingeführt. Damals wurde dieses Projekt von der Bundesregierung als eine besondere Innovation großzügig angekündigt. Im Zusammenhang mit Hartz-IV wurde diese sinnvolle Einrichtung nun sang- und klanglos wieder eingezogen und beerdigt.

Der Kreis steht nun vor der Aufgabe, dass Jugendliche, Schule und Eltern diese Arbeit schätzen gelernt haben – und es sei auch angemerkt, sie ist und war auch gut. Nur zuständig für diese Jugendberufshilfe war nach eigener Aussage der Bund; er hat sich aus der Aufgabe wieder heraus gestohlen.

Weil dem so ist, sind wir der Auffassung, dass nach einer kurzen Übergangsfrist diese Aufgabe durch den Landkreis Böblingen nicht fortgesetzt werden kann.

III. Straßen / ÖPNV

1. Straßenunterhaltung

Seit Jahren ist der Landkreis nicht mehr in der Lage, sein Straßennetz angemessen zu unterhalten. Wir bauen somit eine zusätzliche Belastung der Zukunft auf und schaffen eine verkappte Verschuldung.

Um eine Übersicht zu erhalten, beantragen wir, dass der Kreistag im ersten Vierteljahr 2005 einen detaillierten Bericht zum Zustand der Kreisstraßen erhält.

2. Öffentlicher Personennahverkehr

Der Gesamtzuschussbedarf des Öffentlichen Personennahverkehrs beträgt im Landkreis Böblingen zwischenzeitlich 25,2 Mio. Euro. Nach Abzug der Einnahmen verbleiben pro Einwohner 56,72 Euro im Jahr.

Da kann man eigentlich nur fassungslos zuschauen, wie es auf regionaler Ebene immer noch selbstverständlich ist, zusätzliche Leistungen für den Öffentlichen Personennahverkehr zu fordern und zu beschließen.

Brauchen wir angesichts der Haushaltslage der Städte und Gemeinden wirklich Nachtbuslinien?

Oder ist da eine Frühverbindung der S-Bahn zum Stuttgarter Flughafen dringend notwendig?

Ohne Zweifel sind dies gute Angebote. Es ist jedoch fast schon eine Farce, wenn auf regionaler Ebene begründet wird, die Frühlinie zum Flughafen sei deshalb günstig, weil man Freikilometer für diese Strecke verwenden könne. Diese Freikilometer fehlen dann für andere Fahrten, z. B. bei Großereignissen, und müssen dann getrennt bezahlt werden. Auch der weitere Ausbau des 15-Minuten-Taktes ist durchaus zu hinterfragen.

Obwohl es richtig ist, dass der Öffentliche Personennahverkehr eine wichtige Stütze der Verkehrsinfrastruktur im Kreis und in der Region darstellt.

Die genannten Beispiele zeigen, dass wir sehr schlecht beraten wären, wenn wir manchen Forderungen aus Kreisen der Region zustimmen würden und z. B. die Schönbuchbahn oder die Ammertalbahn auch noch auf die Region übertragen würden.

Es ist völlig falsch, dass der Kreis dann Kosten sparen würden.

Im Gegenteil – auch die anderen Nebenbahnen in der Region würden dann übertragen; – und mir konnte noch niemand erklären, weshalb die Stadt Stuttgart für denn Fall, dass die Region den Abmangel aller Nebenbahnen übernehmen würde, eine so großherzige Einstellung behalten sollte, dass sie weiterhin den Abmangel der Stadtbahn dann weiterhin völlig selbst und alleine trägt.

In dieser Gesamtbetrachtung würde eine Übertragung der Nebenbahnen auf die Region zu einer enormen Kostensteigerung führen.

Ganz abgesehen davon, dass es auf regionaler Ebene sofort zur Folge hätte, dass irgendjemand beantragt, man brauche nun ein Gutachten zur Eingliederung dieser neuen Aufgaben, denn die „Gutachteritis“ ist auf regionaler Ebene in besonderer Weise ausgeprägt. Es gelingt dort nach meinem Eindruck auch in diesem Jahr nicht, auch nur die geringsten Einsparungen gemeinsam umzusetzen.

3. Verkehrsumlage an die Region

Vor diesem Hintergrund ist die weiter steigende Verkehrsumlage an die Region zu sehen.

Wir haben es im letzten Jahr bereits angeprangert; der Kauf von S-Bahnzügen durch die Region Stuttgart wird nicht nachvollziehbar. Er hat vor allem der kommunalen Ebene überhaupt kein Geld gespart. Denn diejenigen, die eigentlich zuständig gewesen wären für den Fahrzeugkauf – die Deutsche Bahn oder das Land – die haben nun Vorteile.

Die Erwartungshaltung, man könne nun auch noch die bestehenden S-Bahnzüge modernisieren, teilen wir nicht.

4. Ausbau der S 60

Bei aller Kritik bleibt festzuhalten, dass für den Weiterbau der S 60 und die Sicherung der Zuschusshöhe Region und Kreis gut zusammengearbeitet haben. Der Region und Ihnen, Herr Landrat, möchte ich in diesem Zusammenhang für ihren Einsatz danken.

Die letzte Woche im Verkehrsausschuss der Region bekannt gewordene Verzögerung bei der S 60 ist einerseits bedauerlich, andererseits verzögert sich damit auch die Belastung des Kreises bei der Ablösung des Betriebskostendefizits. Zudem ist angekündigt, dass das Land die Zuschüsse für die S 60 nicht zeitgerecht auszahlen kann.

Wir beantragen dazu, dass dem Kreistag möglichst bald ein detaillierter Bericht zur vermuteten Vorfinanzierungslast und die zeitliche Abfolge für die S 60 vorgelegt wird.

5. Schülerbeförderung

Schon im letzten Jahr haben wir beantragt, dass die Kreisverwaltung mit den anderen Landkreisen und dem VVS darüber verhandeln soll, dass die Eigenanteile für Schülerinnen und Schüler auf 30 Euro im Monat angehoben werden.

Diesen Antrag werden wir auch in diesem Jahr erneut stellen. Wir halten dies für zumutbar.

6. Unterhaltsrückstände in den Kreisgebäuden

Laut der Haushaltsrede des Landrats gibt es mittelfristig einen Bedarf von bis zu 15,3 Mio. Euro.

Wir beantragen, dass eine detaillierte aktualisierte Liste erstellt wird, die im Verwaltungs- und Schulausschuss zur Beratung vorgelegt wird. Damit kann frühzeitig im nächsten Jahr festgelegt werden, welche Unterhaltungsleistungen aus Sicht des Gremiums in die zukünftige Planung einfließen sollen. Unsere Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten werden ansonsten immer stärker zurückgedrängt.

IV. Vermögenshaushalt

Im Vermögenshaushalt sind wie bereits gesagt, vorwiegend Maßnahmen veranschlagt, die bereits abgewickelt werden. Einige Punkte möchte ich kurz ansprechen.

1. Landwirtschaftliches Schulzentrum Herrenberg / Erweiterung

Die Freien Wähler sehen einen dringenden Erweiterungsbedarf für diese Schule. Im Jahr 2005 ist die Planung und die mögliche Förderung aus staatlichen Schulbaufördermitteln abschließend zu klären. Dabei ist eine kostengünstige Planung zwingend erforderlich. Die seither im Raum stehenden Investitionskosten in Höhe von 3,3 Mio. Euro kann der Landkreis nicht schultern.

Wir beantragen, dass eine Planung entwickelt wird, die von einem maximalen Investitionsvolumen incl. Planungskosten von 2,25 Mio. Euro ausgeht. Ggf. ist das Raumprogramm auf dieses Volumen abzustimmen.

2. Straßenausbau / Vorfinanzierung /

Auswirkungen auf künftige Haushaltsjahre

Die Planungen und der Ausbau der A 81, der A 8 und der B 464 wurde von uns ständig gefordert und befürwortet – dabei bleibt es.

Wir hoffen sehr, dass es in den nächsten Wochen gelingt, endlich für einen weiteren Teilausbau der B 464 rings um Magstadt, die Baufreigabe zu erhalten. Das Verhalten der Bundesregierung zu diesem Thema ist für uns nicht mehr nachvollziehbar.

Weil wir darum wissen, dass der Ausbau dieser Straßen erhebliche Vorfinanzierungslasten mit sich bringen wird,

beantragen wir,

Antrag:

dass seitens der Verwaltung detailliert dargestellt wird, wie sich zum einen die Übertragung der Straßenbauverwaltung auf den Landkreis auswirkt, wie die Planungskapazitäten genutzt werden sollen und welche Vorfinanzierungslast für die verschiedenen Straßenbauprojekte entstehen wird.

Was kann der Landkreis nun eigentlich tun?

Wo können wir noch sparen?

Die Verwaltungsreform erfordert eine Effizienzrendite von 20 %. In diesem Umfang werden die Zuweisungen des Landes an den Landkreis abgeschmolzen. Überträgt man dies auf 340 zusätzliche Personalstellen, bedeutet dies, dass bis zum Jahr 2008 allein aus dem Bereich der eingegliederten Behörden 68 Stellen abgebaut werden müssen.

Im Haushaltsplan 2005 sind die Aussagen der Verwaltung zu diesem Thema noch ziemlich zurückhaltend.

Wir erwarten, dass die konsequente Zurückführung des Personalbestandes vom Landkreis fortgesetzt wird. Deshalb ist es notwendig, dass die Stellenbesetzungssperre, die wir im letzten Jahr beschlossen haben, beibehalten wird und dass alle geplanten Beförderungen um 6 Monate verschoben werden.

Um beurteilen zu können, ob es tatsächlich über eine natürliche Fluktuation möglich wird, die Effizienzrendite zu erwirtschaften, bitten wir, dass die Verwaltung auch eine klare Konzeption zum weiteren Stellenabbau mit Darstellung der „Altersfluktuation“ erarbeitet.

Ein solcher Plan ist noch vor der Sommerpause 2005 dem Kreistag zur Beratung vorzulegen.

Verschiebung von Neubeschaffungen

Nach unserer Auffassung kann die Laufzeit für EDV-Anlagen, PCs und Bildschirme auf 5 Jahre verlängert werden.

Zur teilweisen Gegenfinanzierung unseres nachfolgenden Vorschlags für die Kreisumlage schlagen wir deshalb vor, die geplante Ersatzbeschaffung von PCs um 75 Geräte zu reduzieren. Ein weiterer Vorschlag ist, dass die Kreismedienstelle Leonberg mit der Medienstelle im Kreis zusammengelegt wird.

V. Kreisumlage

Nun zur Kreisumlage.

Wir beantragen, dass die Kreisumlage auf 40,8 % – Punkte abgesenkt wird.

Die Finanzierung haben wir in unserem Antrag dargestellt. Es lässt sich nach unserer Überzeugung durchaus darstellen, dass mit 40,8 % – Punkten noch ein gesetzeskonformer Haushalt verabschiedet wird. Ganz bewusst möchten wir die Rücklage schonen und die mögliche Entnahme aus der Rücklage, die mittelfristig im Jahr 2006 vorgesehen ist, dort auch belassen.

Es geht leider nicht ohne zusätzliche Kreditaufnahmen, weil die Ersatzdeckungsmittel teilweise zum Ausgleich des Verwaltungshaushaltes benötigt werden. Im übrigen ergeben sich unsere Deckungsvorschläge aus den Einzelanträgen.

VI. Eigenbetriebe des Kreises

1. Abfallwirtschaftsbetrieb

Wir begrüßen die Absenkung des Verbrennungskontingentes des Landkreises Böblingen zur Reduzierung der Kosten. Die Vergärungsanlage bei der Kompostierungsanlage Leonberg war eine gute Entscheidung. Immerhin werden 2.300 Haushalte zukünftig Strom aus Biogas erhalten können.

Für den Abfallwirtschaftsbetrieb wurden die ersten Seitenladerfahrzeuge für die Abfuhr von Biomüll beschafft.

Laut der Haushaltsrede des Landrates ist beabsichtigt, diese Fahrzeuge zukünftig auch für die Abfuhr des Hausmülls einzusetzen.

Es mag sein, dass bei isolierter Betrachtung der Müllabfuhr aus Kostengründen dies gerechtfertigt sein könnte. Wir geben allerdings zu bedenken, dass dann weitere Menschen, die sonst schwer Arbeit finden, ihre Arbeitsplätze verlieren.


In einer Gesamtkostenbetrachtung kommen wir zum Ergebnis, dass es wirtschaftlicher ist, wenn die Müll-Abfuhr beim seitherigen System bleibt.

Deshalb beantragen wird, dass für die Hausmüllabfuhr vom AWB keine Seitenladerfahrzeuge eingesetzt werden.

2. Krankenhäuser

Auch die aktuelle Pressediskussion zwingt dazu, dieses Thema anzusprechen.

Wir setzen uns für eine Stärkung und einen kompakten Ausbau der Kreiskrankenhäuser ein. Dabei sind Kooperationen im Kreis und über den Kreis hinaus eine willkommene und notwendigeMöglichkeit, um Synergieeffekte zu schaffen und Kosten zu sparen. Allerdings können wir uns beim Kreis nicht mehr davon abhängig machen, was andere tun. Wir haben lange genug gewartet und konnten die Geschwindigkeit unserer notwendigen Veränderungen nicht selbst bestimmen.

Wer Kooperation möchte und auf die Zusammenarbeit mit Partnern angewiesen ist, – dies sei an dieser Stelle angemerkt – der kommuniziert mit dem gewünschten Partner nicht über die Presse und stellt vor allem der Presse keine Briefe zur Verfügung, die eindeutig persönlich adressiert waren.

Diese Verhaltensweise können wir weder verstehen, noch nachvollziehen.

Jede Kommentierung wäre sicher zuviel, denn wir sind der Auffassung, dass Zusammenarbeit sein muss.

Die Beschaffung eines Linksherzkatheter-Messplatzes für das Kreiskrankenhaus Böblingen ist richtig und notwendig. Das haben im übrigen die Vertragspartner schon bei der Beschaffung des ersten Messplatzes so gesehen, denn sonst stünde nicht in der Präambel des damaligen Vertrages für den Fall, dass ein zweiter Messplatz notwendig wird, dass dieser in Böblingen einzurichten ist.

Dem ist nichts, aber auch gar nichts hinzuzufügen.

An die Adresse unserer Krankenhäuser gewandt, möchte ich feststellen, wir stehen zu diesen Einrichtungen, die eine gesetzliche Pflichtaufgabe des Landkreises sind. Mit dem angekündigten Umbau in eine Klinik GmbH, die noch getrennt zu beraten sein wird, sind wir grundsätzlich einverstanden.

Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass alle zukunftsträchtigen Entscheidungen schnell und zügig zu treffen sind.


Die psychosomatische Klinik im Krankenhaus Leonberg kann allerdings nur umgesetzt werden, wenn auch die staatliche Förderung sicher gestellt ist. Wir gehen davon aus, dass keine weiteren vorbereitenden Arbeiten getroffen werden, solange nicht die Förderentscheidung klar ist.

Abschlussbetrachtungen:

Es ist anerkennend hervorzuheben, dass Sie, Herr Landrat, in Ihrer Haushaltsrede klare Forderungen an den Gesetzgeber formuliert haben.

– Es darf keine weiteren Aufgabenübertragungen auf die kommunalen Haushalte geben, wenn nicht Finanzneutralität garantiert wird.

– Das Gemeindefinanzsystem muss nach wie vor reformiert werden.

– Zur konsequenten Umsetzung der Verwaltungsreform gehört der Abbau staatlicher Leistungen und Aufgaben. Wir erwarten vom Land Baden-Württemberg, dass nach der Neuordnung der Zuständigkeit von Behörden nun auch eine klare Aufgabenreduzierung erfolgt.

– Es kann nicht sein, dass Bund und Land zur Deckung eigener Haushaltsdefizite ständig einen massiven Zugriff in die kommunale Finanzmasse vornehmen.

– Alle Leistungsgesetze, auch Leistungen, die wir vor Ort einführen, brauchen eine klare Neuabgrenzung zwischen Selbstverantwortung des Einzelnen und der Familie gegenüber der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung. Zu vieles wurde seither verstaatlicht; da stimmen wir Landrat Maier zu.

Wir wissen, dass alle staatlichen Ebenen und damit auch die Städte und Gemeinden und der Landkreis in einem Boot sitzen.

Allerdings möchte ich zum Schluss noch anmerken, Herr Landrat, es hat uns nicht gefallen, dass Sie in Ihrer Haushaltsrede auch betont haben, die Städte und Gemeinden hätten ihre Einnahmemöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft.

Wer kann von einem Gemeinderat erwarten, dass vor Ort die Steuerhebesätze angehoben werden sollen, wenn Bund und Land ständig von Steuerreformen und Absenkung von Steuerhebesätzen reden und dies auch für das Jahr 2005 umgesetzt haben?
Von den Gemeinderäten erwartet man dann die Nachbesserung staatlicher Fehlentscheidungen.

Dank:

Ihnen Herr Dittmar, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darf ich im Namen der Fraktion für die qualifizierte Arbeit herzlich danken. Sie haben den Haushalt in einem schwierigen Rahmen sehr eng stricken müssen.

Auf die Anträge, die ich teilweise erläutert habe, verweise ich. Sie werden schriftlich eingereicht.

Wilfried Dölker

22.11.2004